Hallo Brina und Ralf,
streng genommen ist das Stimmen ausschließlich mittels Flageoletttönen - außer für Oktavintervalle - falsch.
Flageoletttöne basieren auf der natürlichen Obertonreihe (reine Stimmung), die Tonhöhen der gedrückten Saiten auf der Gitarre basieren aber auf der gleichschwebend temperierten Stimmung und deren Bundanordnung.
Wenn wie auf Ralfs Homepage nach Flageoletttönen gestimmt wird (E-A-D-G), wird die G-Saite im ungünstigsten Fall 6 Cent zu tief sein (und die hohe e-Saite um 2 Cent zu tief).
E-A-D-G der Leersaiten einer Gitarre sind Quartabstände. In der reinen Stimmung betragen diese Abstände 498 Cent, in der gleichschwebend temperierten Stimmung 500 Cent. Daher der Verweis auf die 6 Cent zu tief, denn der Stimmfehler summiert sich von A über D nach G auf.
Das Intervall von G-zu-H-Leersaite ist ein großes Terzintervall. In der reinen Stimmung sollte es 386 Cent betragen, in der gleichschwebend temperierten Stimmung muss es 400 Cent betragen. Daher fallen die 6 Cent für beispielsweise den E-Dur-Akkord mit dem gegriffenen gis auf der G-Saite nicht sonderlich auf (das gis ist in diesem Fall näher an der reinen Stimmung, da E-Gis eine große Terz ist). Das Problem kann nun aber sein, dass andere Akkorde, die auf die G-Saite für die Bildung anderer Intervalle angewiesen sind, schräg klingen (C-Dur, G-Dur etc.).
Die von Ralf vorgeschlagene 1. Methode ist verlässlicher, sie benötigt ein Abgreifen des Tones und damit einen Abgleich mit der von der Bundanordnung vorgegebenen gleischwebenden Stimmung. Schwebungen zwischen den Flageoletts der Leersaiten am 5. und 7. Bund sind also von der gleichschwebend temperierten Stimmung bereits vorgegeben, damit die Leersaiten mit den gegriffenen Tönen und auch möglichst alle gegriffenen Töne in ihren Intervallverhältnissen über das gesamte Griffbrett miteinander stimmig sind.
Zu dem Thema gäbe es noch eine ganze Menge zu sagen. Wer sich für Intonation von Akustik- und E-Gitarren interessiert, kann auf meiner Homepage vorbeischauen. Dort stelle ich mein Sachbuch zu diesem Themenkreis vor (
http://stay-in-tune.jimdo.com/)
P.S. Manche Gitarristen stimmen auch noch das Leersaitenintervall G-H per Flageolett. Das ergibt dann einen weiteren Fehler von ca. 14 Cent nach unten. Wird schließlich noch H-e nach Flageolett gestimmt, ist die hohe e-Saite im ungünstigsten Fall genau um ein syntonisches Komma zu tief gestimmt (ca. 21,5 Cent) im Vergleich zum Sollwert.